Die Nutzung von digitalen Lernformaten stellt andere Anforderungen an Lernende als traditionelle Lernformate wie Schulungen oder Seminare. Bei diesen sind Ort, Zeit und Inhalt festgelegt; Lernende nehmen teil, aber übernehmen nur bedingt Verantwortung für das Lernen. Selbst die Lernziele sind definiert und das erworbene Wissen wird zu gegebener Zeit abgeprüft. Digitales Lernen hingegen kann von den Lernenden selbst gesteuert werden und findet häufig allein vor einem digitalen Endgerät statt. Lernende sollten damit vertraut sein, aber auch den Umgang mit digitalen Informationen (zum Beispiel bei Internetrecherchen) und deren Bewertung sowie Formen der digitalen Zusammenarbeit beherrschen. Ansätze, die den digitalen Austausch unter Lernenden nutzen, sollten das soziale Lernen in einer Gruppe fördern. Sie stellen aber auch Anforderungen an die Kompetenzen zur digitalgestützten Kommunikation, um beispielsweise Missverständnisse zu vermeiden (Gramß et al., 2020).

Individuelle Voraussetzungen

Das digitale Lernen bringt also per se Anforderungen an die individuelle Medienkompetenz beziehungsweise digitale Kompetenz mit sich. Sind diese Kompetenzen nicht gut ausgeprägt, kann allein die Handhabung von Geräten und Software zur Hürde werden. Auch darüber hinaus stellt das flexible, digitale Lernen vielfältige Anforderungen an die Selbstorganisation: Wann und wo möchte man lernen? Wie viel Zeit kann man aufbringen? Was lernt man? Womit fängt man an?
Die selbstgesteuerte Umsetzung (Lernmanagement) geht also schon mit vielen Aspekten einher, die anders als bei traditionellen, fremdgesteuerten Lernformate wie Seminaren nicht vorgegeben sind. Den eigenen Lernprozess zu reflektieren, sich Hürden bewusst zu machen und hilfreiche Unterstützung wie Rituale zu schaffen, ist für viele Lernende neu. Auch dass man sich zunächst selbst fragt, welche Inhalte man lernen möchte, eigene Bedarfe reflektiert und damit gezielt das lernt, was einen beispielsweise die eigenen Arbeitsaufgaben anders oder besser bewältigen lässt, findet oft nicht statt.
Es braucht außerdem Wissen über eigene Präferenzen, also darüber, wie man selbst am besten lernt, was die eigene Motivation fördert, mit dem Lernen zu beginnen, und wie man in schwierigen Phasen durchhält (Graf et al., 2016; Gramß & Pillath, 2023). Über diese grundlegenden differenzierten Lernkompetenzen verfügen viele Lernende kaum.

Organisationale Voraussetzungen

Neben individuellen Voraussetzungen für das Lernen sind auch im Unternehmen Rahmenbedingungen notwendig. Dies beginnt schon bei der Einführung von neuen digitalen Lernformaten, gilt aber in ähnlicher Weise auch für andere Lernansätze. So sollte klar sein, wie sich das digitale Lernangebot in die Strategie des Unternehmens einfügt. Erwartungen an Beschäftigte, Ziele des Unternehmens sowie Möglichkeiten der Integration des Lernens in den Arbeitsalltag sollten klar und offen kommuniziert werden. Zudem bietet sich gerade für den Anfang und sowie bei Beschäftigten, die eher weniger Zugang zum Lernen haben, eine Lernbegleitung an, um möglichen Hürden und Schwierigkeiten entgegenzuwirken. Mit geeigneten Instrumenten können vorab Kompetenzen der Lernenden festgestellt und gegebenenfalls gezielt gefördert werden. Auch Führungskräfte können dabei unterstützen. Möglichkeiten des Ausprobierens neuer Tools und digitaler Geräte sowie neuer Lernformate fördern die Akzeptanz und schaffen Raum zum Kennenlernen. Dabei empfiehlt es sich, an Alltagserfahrungen der Lernenden anzuknüpfen und den Transfer in den Arbeits- und Lernkontext zu fördern.

Damit einher gehen unter Umständen auch neue Anforderungen an die Personalentwicklung und Führungskräfte, die einerseits die Beschäftigten beim Lernen begleiten und unterstützen und andererseits die Rahmenbedingungen für das Lernen im Unternehmen schaffen. So kann gemeinsam im Unternehmen eine Lernkultur entwickelt werden, damit sich Lernen und Weiterbildung als elementare und selbstverständliche Teile der Arbeit im Unternehmen etablieren. Dabei gehen individuelle und organisationale Voraussetzungen Hand in Hand, um eine tragfähige Lernkultur im Unternehmen zu schaffen.

Quellen:

Graf, N., Gramß, D. & Heister, M. (2016). Gebrauchsanweisung fürs lebenslange Lernen. Düsseldorf: Vodafone
Stiftung Deutschland.

Gramß, D., Pillath, P. & Holland-Cunz, A. (2020). Lernen im digitalen Wandel – Ängste abbauen und digitale Kompetenzen von Beschäftigten fördern. In M. Harwardt et al. (Hrsg.), Führen und Managen in der digitalen Transformation: Trends, Best Practices und Herausforderungen (S. 183-199). Wiesbaden: Springer.

Gramß, D. & Pillath, P. (2023). Digitales Lernen ist kein Selbstläufer – individuelle und organisationale Voraussetzungen für digitales Lernen. In M. Harwardt et al. (Hrsg.), Lernen im Zeitalter der Digitalisierung (S. 41-50). Wiesbaden: Springer.